Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Montag, 19. März 2012

Der heilige Joseph, Beispiel im Leiden


Nähere Anwendung der vorhergehenden Betrachtung auf sich selbst

Wenn Gott den Engel früher zu Joseph geschickt hätte, wäre er in die Verlegenheit nicht gekommen, hätte dies schwere Leiden nicht zu ertragen gehabt: aber dann hätten wir auch den im Leiden geprüften Mann nicht an ihm, wir hätten das schöne Beispiel nicht.


Joseph schweigt in seiner Leidensstunde, übereilt sein Urteil nicht, schont, handelt nach Liebe, und hält sich an Gott.

Wie betrage ich mich im Leiden?
Wie viele übertriebenen Klagen, wie laut, wie häufig am unrechten Ort ausgegossen?
Welche harten Urteile über jene, die Ursache meines Leidens sind, denen ich als Bosheit anrechnen, was Schwachheit war, oder die ich, weil sie meinen Willen ohne Unrecht zu begehen, nicht  tun können, als ungerechte, als Feinde verschreie.
Und wo ist die Schonung, die Liebe gegen die, die mir missfallen, die nicht nach meinem Sinne sind, die mir eine trübe Stunde machen, oder die mich, wie auch immer, beleidigt haben?

Und wie betrage ich mich zur Zeit meines Leidens gegen Gott?

Rechte ich nicht manchmal mit Gott über die mir zugesendeten Kreuze? Weil ich mir andächtiger und frömmer erscheine, als andere sind, sollte ich, nach meinem Urteile, weniger als sie zu leiden haben. Vielleicht glaube ich gar, ich hätte mir durch meine Andacht Freiheit im Leiden erkaufen sollen? Zielt nicht immer mein Gebet auf Befreiung vom Übel, ohne einige Ergebenheit gegen Gott, der es anders will?
Wenn ich auch das Leiden nicht verschuldet, nicht veranlasst habe, warum will ich es nicht als Prüfung zu meinem Verdienste tragen?
Bin ich aber so ganz rein? - Und wenn ich es nicht bin, warum will ich es durch Leiden nicht werden? Ich habe noch Buße, noch Genugtuung zu leisten und will sie nicht mit dem Wert des Leidens leisten? Ich sollte mich von manchen Dingen, die mich an wahrer Tugend hindern, trennen, aber ich lasse mich durch Leiden nicht trennen, nicht ziehen.
Ich hätte Demut, Geduld, Gelassenheit, Starkmut zu lernen, und ich laufe dem Leiden, das mich das alles lehren wollte, aus der Schule!

Zeigt nicht gerade die Ungeschicklichkeit mit der ich mein Kreuz trage, mein Jammern, mein Klagen, meine Niedergeschlagenheit, meine Unruhe und Ungeduld recht deutlich, dass ich Gott nicht recht kenne, dass ich kein wahres Vertrauen auf ihn zu setzen weiß. Dass es mir an wahrer Liebe zu ihm fehlt?
Kann ich mir das Zeugnis geben: Seit ich zu leiden habe, bin ich besser geworden? Gott ist jetzt mir und ich ihm näher als zuvor. Ich habe zu entbehren, zu verachten gelernt, was nur Scheingut ist; dagegen zu schätzen und zu lieben gelernt, was allein wahrhaft glücklich macht? 
Umsonst warte ich auf Trost, Rettung, Licht, wenn ich das Leiden nicht recht zu gebrauchen weiß. Durch meine Ungeschicklichkeit im Leiden entferne ich Gottes Hilfe, beraube mich des Verdienstes.
Bewahre mich, o Herr! Durch deine Gnade vor diesem Schaden!


aus: Verehrung des heiligen Josephs, des Nährvaters Jesu Christi, auf neun Mittwoche oder neun Tage eingerichtet, mit Bewilligung des Ordinariats Freising, München  1796