Das wichtigste Gebet ist das Gebet um die Beharrlichkeit bis zum Ende. Siehe hier


Sonntag, 18. März 2012

Der heilige Joseph in einer besonderen Prüfung

Als Maria von dem Besuche ihrer frommen Base, Elisabeth, wieder nach Nazareth zurückgekehrt ist, und ihre Schwangerschaft schon so weit fortgerückt war, dass sie merkbar wurde, geriet ihr Bräutigam in die peinlichste Verlegenheit. Er kannte Maria als die unschuldigste, reinste Seele, und wusste zugleich von der Absicht des Himmels und der Überschattung des Allerhöchsten nichts, und konnte auch nichts davon vermuten; Maria selbst hielt das Geheimnis vor ihm verschlossen.
Da er sie nun schwanger sah, da er dem Zeugnis seiner Sinne trauen musste, empfand seine Seele das schrecklichste Leiden. Tag und Nacht schwebte ihm dieses Anliegen vor seiner Seele; einerseits konnte er sich nicht durchringen, die unschuldigste Seele zu verdammen, und andererseits  machte es ihm der Augenschein unmöglich, sie unschuldig zu finden. 
Ein zweites Anliegen lag neben dem ersten, gleich schwer auf seiner Seele: nämlich, wie er sich aus der Verlegenheit ziehen, und von Maria losmachen sollte. Nach reiflicher Überlegung und herzlichem Gebet fasste er endlich den Entschluss, den er ohne neuen Aufschluss des Himmels für den vernünftigsten halten musste, Maria, seine Verlobte, im Geheimen zu entlassen, damit sie dem Gespött und der Strafe des Gesetzes entgehen könnte. Diesen Vorsatz glaubte er, sei er seiner Ehre und seiner Liebe schuldig, und so zu handeln müsse vor dem Auge der Gerechtigkeit als gerecht erkannt werden.
So sind denn auch die Gerechten, die Freunde Gottes, nicht von Leiden und schweren Prüfungen ausgenommen. So gehen denn die Trübsale auch vor den Wohnungen der Gerechten nicht immer vorbei! Wahrhaftig, alles, was Mensch ist, ist dem Leiden unterworfen. Allerdings unterscheiden sich die Leiden der Frommen von den Leiden der Verbrecher.
Erstens: die Frommen leiden unschuldig, die Verbrecher haben es wohl verschuldet, was sie auszustehen haben; zweitens, jene versündigen sich nicht in ihren Leiden, sondern tun auch im Leiden, was ihnen nach dem Ausspruch des Gewissens das Gott gefälligste zu sein scheint, während diese (die Sünder) auch in den Tagen der Trübsal Sünden auf Sünden, Schulden auf Schulden häufen. Drittens: Jenen geht in der Finsternis, in der rechten Stunde, ein Licht auf, wo diese im Finstern tappen, wie wir das erste an dem heiligen Joseph in der Folge sehen werden.
So müssen wir denn, so oft uns ein Leiden trifft, unser Gewissen genau untersuchen, ob wir nicht dieses Leiden verschuldet haben; und wenn wir an die Brust schlagen müssen, den Herrn um Vergebung bitten, über die erkannte Sünde wahre Busse tun, und ein neues Leben anfangen. Hernach müssen wir den Gott der Stärke um Stärke bitten, geduldig zu leiden, und alle Ungeduld standhaft unterdrücken, damit wir die Zahl unserer Schulden nicht noch größer machen. Endlich müssen wir den Vater des Lichtes um Licht bitten, dass wir auch in den Tagen der Finsternis seinen heiligen Willen erkennen und vollbringen mögen, und den Anbruch dieses Lichtes demütig und gelassen abwarten.
Auf diese Weise werden wir in allen Prüfungen bestehen, wie die Heiligen Gottes darin bestanden haben.



Fortsetzung HIER

aus: Verehrung des heiligen Josephs, des Nährvaters Jesu Christi, auf neun Mittwoche oder neun Tage eingerichtet, mit Bewilligung des Ordinariats Freising, München  1796